Geschichte der Freien Universität Berlin

(Aus http//:www.fu-berlin.de/)

Freie Universität Berlin - der Name stand bei der Gründung 1948 für Rückbesinnung und Neuanfang zugleich, und er ließ bereits jene enge Verbindung der FU zur Nachkriegsgeschichte und -politik Berlins erkennen, die für die nächsten Jahrzehnte charakteristisch sein sollte. Denn nicht etwa eine "open university", eine "universitÚ libre" im Sinne mancher europäischer Nachbarländer sollte entstehen, wie aus dem Namen irrtümlich hätte abgeleitet werden können, sondern eine Universität, die, den Idealen Wilhelm von Humboldts verpflichtet, nach der nationalsozialistischen Herrschaft und dem Zweiten Weltkrieg an der Neugestaltung einer freiheitlichen, westlich demokratischen Gesellschaft mitwirken sollte.

Nötig ist es dafür, kurz den Blick auf jene Universität zu lenken, zu der die Freie Universität bei ihrer Gründung in Berlin-Dahlem in antithetischer Beziehung stand: die alte Berliner Friedrich-Wilhelms- Universität Unter den Linden, die im Zuge der allzu kurzen preußischen Reformbewegung ebenfalls nach einer Niederlage - gegen Napoleon - einer Denkschrift Wilhelm von Humboldts folgend 1810 von König Friedrich Wilhelm III. ins Leben gerufen worden war und deren Prinzipien der weitgehenden Unabhängigkeit vom Staat bei gleichzeitiger Alimentierung durch diesen, der Freiheit von Forschung und Lehre sowie der allgemeinen Bildung junger Menschen bestimmend für den Typus der Universität vom 19. Jahrhundert bis in unsere Zeit werden sollten.

Die Berliner Universität wurde im Verlauf von 100 Jahren zu einer der größten und bedeutendsten Hochschulen im deutschsprachigen Raum. In den Jahren des späten Kaiserreichs, vor dem Ersten Weltkrieg, war durch die Kaiser-Wilhelm- Gesellschaft, die Technische Hochschule Charlottenburg, die Preußische Akademie der Wissenschaften, verschiedene Reichsanstalten und eine Vielzahl anderer Institutionen ein dichtes Netz von wissenschaftlichen Einrichtungen entstanden, die mit der Berliner Universität in fruchtvoller Wechselbeziehung standen. Der Plan, Teile der beengt im Zentrum Berlins befindlichen Universität in die Nachbarschaft der Kaiser-Wilhelm- Institute nach Dahlem zu verlagern, wo der preußische Fiskus durch die Aufteilung und den Verkauf der Domäne Terrain zur Verfügung stellte, um damit ein "deutsches Oxford" zu begründen, konnte durch den Ersten Weltkrieg nicht mehr zur Ausführung gelangen. Der Aderlaß des Krieges, die unvollendete Revolution, die Notzeit der Inflation beeinträchtigten auch das wissenschaftliche Leben sehr; doch waren die Leistungen, die etwa durch eine große Zahl von Nobelpreisen für Berliner und Dahlemer Forscher dokumentiert wurden, von Weltrang.

In diesen Jahren zeigte sich jedoch auch, daß die gesellschaftlichen Eliten des Kaiserreichs, denen große Teile der Universitätsmitglieder entstammten, der Weimarer Republik gleichgültig, ja sogar ablehnend gegenüberstanden und sich dem aufkommenden Nationalsozialismus zuwandten, noch bevor Hitler die Macht übertragen wurde. So konnten nach 1933 die Nationalsozialisten die Universitäten gleichschalten und ohne deren Gegenwehr mit administrativer und physischer Gewalt ihre Gegner, darunter insbesondere jüdische Hochschullehrer und Studenten vertreiben. Dieser erzwungene Exodus schnitt die wissenschaftliche Kapazität dramatisch zurück, befruchtete aber zugleich europäische Nachbarländer und die USA und legte damit den Grundstein zu einer folgenschweren Verlagerung der wissenschaftlichen Gewichte.

Der von Berlin in die Welt getragene Krieg schlug schwer auf die Stadt zurück. Als nach der Kapitulation 1945 zunächst die Rote Armee und dann die westlichen Siegermächte einzogen, waren große Teile der Innenstadt völlig zerstört. Die Wiedereröffnung der Berliner Universität, die sich nunmehr im sowjetischen Sektor befand, war daher 1946 eine bewundernswerte Leistung, und Studenten aus allen Sektoren Berlins und aus dem Umland nahmen ihr Studium auf.

Doch in den folgenden Jahren, als die weltweite Konfrontation zwischen West und Ost zunahm und sich in Berlin zuspitzte, zeigte sich, daß die Sowjetunion und die mit ihr kooperierenden ostdeutschen Behörden die Universität in einer Weise verwalteten und formten, die westlichen Vorstellungen fremd sein mußte: Die Zulassung von Studenten nach der Zugehörigkeit zur Arbeiter- und Bauernklasse, das Erfordernis bestimmter politischer Aktivitäten und Mitgliedschaft in Massenorganisationen, die Behinderung nichtkonformer politischer Betätigung und die Relegation, ja Verhaftung und Verschleppung von Studenten waren ein Abbild der Verhältnisse der späten Stalinzeit. So formte sich unter den Studenten eine wachsende Opposition, und im Sommer 1948 strömten einige Hundert von ihnen zu einer Demonstration in den Westsektor, direkt am Rand des Potsdamer Platzes, und forderten die Errichtung einer "freien Universität" im Westen Berlins. Dies war ein eminent politischer Akt, der sich dezidiert gegen die bedrückenden Verhältnisse an der immer ausschließlicher von der Ideologie der SED beherrschten Berliner Universität richtete, die sich bald mit den Namen Humboldts schmückte.

Daß sich die Idee der Gründung einer freien Universität in einer Zeit größter politischer Anspannung, während der Berliner Blockade, durchsetzen sollte und bereits im Winter 1948/49 ein Vorlesungsbetrieb zunächst in bescheidenem Umfang aufgenommen werden konnte, erscheint im nachhinein äußerst erstaunlich und ist sicher wesentlich mit auf die persönliche Unterstützung des ersten West- Berliner Bürgermeisters Ernst Reuter zurückzuführen.

Da der Anstoß zur Gründung der Freien Universität von Studenten gekommen war, erhielten diese in der neuen Universitätsverfassung Sitz und Stimme im Akademischen Senat, ein für damalige Zeiten unerhörter Vorgang; die westdeutschen Universitäten standen der Neugründung ohnehin skeptisch bis ablehnend gegenüber, da sie sich in einer berühmten Deklaration als "im Kern gesund" bezeichneten und kaum Konsequenzen aus den zwölf Jahren

Naziherrschaft zu ziehen bereit waren. Auch war die Kuratorialverfassung der Freien Universität insofern eine Neuerung, als die Universität nun nicht mehr dem verantwortlichen Landesminister nachgeordnet, sondern vielmehr einem Gremium verantwortlich war, das von ihr selbst, den zuständigen Senatsverwaltungen und dem Parlament mit Vertretern beschickt wurde und somit nicht mehr Unterordnung, sondern auch hier Kooperation gefragt war.

So war die Freie Universität als Reformuniversität eine Einrichtung des Landes Berlin, die mit ihren anfangs nur rund 2 000 Studenten idealistisch die "Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden" vertrat, später als "Berliner Modell" bezeichnet, und in ihrem Erneuerungswillen in großem Maße finanzielle und ideelle Hilfe von amerikanischen Institutionen wie der Ford-Foundation erhielt, mit deren Geldern zentrale Gebäude, die Universitätsbibliothek, das Studentendorf Schlachtensee und später das Klinikum Steglitz gebaut wurden.

Wegen der Zerstörung der Innenstadt war man auf der Suche nach geeigneten Gebäuden und Baugelände für die Freie Universität auf die Vororte ausgewichen und wiederum auf Dahlem verfallen, wo durch die amerikanische Besatzungsmacht wegen der Verlagerung von Stäben nach Westdeutschland Gebäude frei geworden waren - so wurde der Plan vom Beginn des Jahrhunderts unter veränderten Vorzeichen nun doch mit Leben erfüllt.

Die Verwendung des Wortes "frei" im Namen der Universität erlaubte für sich übrigens noch keine Rückschlüsse auf die Zuordnung zum West- oder Ostsektor; im Westen wurden neben der Freien Universität die Freie Volksbühne und später der Sender Freies Berlin gegründet, während im Osten der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund und die Freie Deutsche Jugend zu finden waren...

In den 50er Jahren wuchs die Freie Universität und mit ihr die Studentenzahl stetig; neben in großzügiger Planung errichteten Fakultätsgebäuden und der ersten Mensa nutzte sie eine Vielzahl von ehemals privaten Villen im Dahlemer Bereich und darüber hinaus. Nach den Anfangsschwierigkeiten der ersten Jahre, in denen es wegen der Finanzierungsunsicherheiten nicht einfach war, Hochschullehrer an die neue Universität zu ziehen - nur wenige Professoren wechselten von der Humboldt- Universität herüber -, war die Freie Universität nun zu einer Voll- Universität ausgebaut worden, in der die meisten Studienrichtungen, auch Medizin, studiert werden konnten. Eine wesentliche Ausnahme betraf lediglich die Ingenieurwissenschaften, die nur an der Technischen Universität angeboten wurden. Einen Schwerpunkt bildeten die Geistes- und Sozialwissenschaften; die Einbeziehung der vormaligen Deutschen Hochschule für Politik als Otto-Suhr-Institut war von nicht geringer Bedeutung, doch wurden auch die Naturwissenschaften und die Medizin ständig aus- gebaut - die klinische Ausbildung erfolgte an Standorten weit entfernt von Dahlem, in Charlottenburg, später auch in Steglitz und jüngst im Wedding.

Der Bau der Mauer am 13. August 1961 veränderte die Situation in der Stadt und an der Freien Universität nachdrücklich, war doch bisher bis zu einem Drittel der Studenten aus der DDR und Ost- Berlin gekommen. Dies war nun nicht mehr möglich, und eine neue Studentengeneration frei von Nazi- und Kriegserfahrung wuchs heran, die nicht mehr in den Denkmustern der 50er Jahre befangen war, welche zunehmend als Restaurationsperiode empfunden wurden. Ab Mitte der 60er Jahre kam es zu Unrast, und die Studentenbewegung griff von den USA auf Berlin über, das, wie so oft, bei neuen Entwicklungen eine Vorreiterrolle für die Bundesrepublik spielte.

Das weitere Anwachsen der Studentenzahl, die nunmehr als unzulänglich empfundenen Mitwirkungsmöglichkeiten von Studenten, Assistenten und Nichtordinarien, Fragen der Verstrickung von Eltern, Politikern, Institutionen in der Nazizeit, beginnende wissenschaftliche Beschäftigung mit der marxistischen Ideologie und der Krieg in Vietnam erzeugten eine angespannte Situation, die mit den herkömmlichen Verhaltensmustern nicht mehr gelöst werden konnte. Besonders die in die Öffentlichkeit getragene Kritik eines Teiles der Studenten am Vietnam-Krieg stieß bei der Berliner Bevölkerung, die sich nur allzu gut der lebenswichtigen Hilfe der USA während der Luftbrücke erinnern konnte, auf Unverständnis, und die veröffentliche Meinung war an der Zunahme der Voreingenommenheit gegenüber den Studenten und ihren Aktivitäten innerhalb und außerhalb der Universität nicht unbeteiligt. Die Erschießung eines FU- Studenten durch einen Polizeibeamten während einer gegen den Besuch des Schahs gerichteten Demonstration 1967 und das Attentat auf einen der einflußreichsten Sprecher der Studenten, Rudi Dutschke, im Jahr darauf, wühlten Universität und Stadt auf und führten zum Umdenken auf allen Seiten.

Der Senat von Berlin entschloß sich zu einer grundlegenden Universitätsreform, in der er die Verfassung der sogenannten Gruppenuniversität begründete, die im Prinzip allen an der Universität tätigen Mitgliedern (Professoren, Assistenten, Studenten, Angestellten) eine abgestufte Möglichkeit zur Mitbestimmung an den laufenden Angelegenheiten der Universität bis hin zur Wahl nun nicht mehr des Rektors, sondern des Präsidenten gab. Der Staat hoffte damit, die protestierenden Studenten wieder in die Universität zurückzuführen, und investierte gleichzeitig hohe Beträge in den Ausbau der Universität. Die Neuverteilung der Macht rief freilich den erbitterten Widerstand des größten Teils der Professoren hervor, die nach einigen Jahren bundesweit ein diese Änderungen teilweise zurücknehmendes Urteil des Bundesverfassungsgerichtes erreichten. Auch wenn die sichtbaren Auseinandersetzungen nunmehr deutlich abnahmen, hatte doch insgesamt in den 70er Jahren der Einfluß der politischen Gruppen, die teils stellvertretend für die Parteien des Abgeordnetenhauses in der Universität auf allen Ebenen agierten, zugenommen, und ebenso - aber fast unbemerkt - die Einwirkung der staatlichen Administration, die die Autonomie der Universität stückweise immer mehr beschnitt. Die Neugliederung der Universität - statt weniger Fakultäten nun über zwei Dutzend Fachbereiche und Zentralinstitute - wurde zwar in Einzelbereichen wiederholt verändert, hatte jedoch im wesentlichen Bestand.

Auch wenn rückwirkend die Ereignisse der späten 60er und frühen 70er Jahre als deutlicher Einschnitt in die Universität, ja in der bundesrepublikanischen Gesellschaft allgemein erscheinen müssen, kehrte an der Freien Universität alsbald ein Abflauen der lautstark sich äußernden Gegensätzlichkeiten und eine Tendenz zur Normalisierung ein; freilich nahm in jenen Jahren auch der politisch motivierte Terrorismus seinen Anfang, der die Bundesrepublik in ungleich stärkerem Maße bewegen sollte als die Ereignisse an den Universitäten.

Das Hauptproblem der Freien Universität der 70er Jahre war ihr ständiges Wachstum und ihre beginnende Unübersichtlichkeit. Die Bildungspolitik, die geburtenstarken Jahrgänge, aber auch das politische und soziale Klima der Stadt zogen in zunehmendem Maße eine Studentenschaft nach Berlin, die sich in ihrer Aufgeschlossenheit, Unabhängigkeit und Unangepaßtheit doch deutlich von der vieler westdeutscher Universitäten unterschied. Die Integration der Pädagogischen Hochschule mit der Grundschullehrerausbildung ließ die Zahl der Studenten auf über 30 000 ansteigen, von denen knapp die Hälfte aus Westdeutschland und sieben Prozent aus dem Ausland kamen. In diese Zeit fiel auch die Eröffnung eines großen Neubaukomplexes für die Geisteswissenschaften, die sogenannte Rost- und später die Silberlaube, sowie die Errichtung hochmoderner naturwissenschaftlicher Institute.

Nach Zeiten der Expansion brachte eine Stimmungswende, verbunden mit neuen Regierungsmehrheiten in Berlin und Bonn ab 1980 bzw. 1982, eine Verminderung des Interesses an der Bildungspolitik und die abnehmende Bereitschaft, die Universitäten wie bisher zu fördern. Die schwächere Wirtschaftslage führte auch dazu, daß die Studenten erhebliche Abstriche an ihrer staatlichen Unterstützung hinnehmen mußten. Der je nach Standpunkt beargwöhnten oder begrüßten Verlagerung wichtiger Forschungsprojekte an Großforschungseinrichtungen oder in die Privatwirtschaft wurde - nicht unumstritten - durch die Gründung einiger sogenannter An-Institute an der Freien Universität begegnet, die zwar ihrem Namen den der Universität hinzufügen durften, deren Einwirkungsmöglichkeiten aber weitgehend entzogen

waren. Ebenso verhielten sich zumindest Teile der Universität reserviert gegenüber den in periodischen Abständen sich vollziehenden Neugründungen wissenschaftlicher Institutionen, zuletzt der Akademie der Wissenschaften zu Berlin, auch in der Befürchtung, daß deren finanzielle Ausstattung letztendlich zu Lasten der Universität gehen würde. Die sich drastisch verschlechternde Studiensituation für die nunmehr um 60 000 Studenten führte dann unmittelbar im Zusammenhang mit den Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der FU- Gründung 1988/89 zu einem überraschenden, längeren Studentenstreik, der mit Institutsbesetzungen verbunden war; doch war diesmal das Echo der Öffentlichkeit eher verständnisvoll und führte vorübergehend zu einigem Interesse und Zuwendungen von seiten der Regierenden.

Die Öffnung der Mauer am 9.11.1989 und die bald darauf erfolgende Selbstaufgabe der DDR brachte zwar nicht den von einigen erwarteten sofortigen Studentenansturm aus dem Osten, jedoch eine völlige Umgestaltung der Landschaft in und um Berlin, in jedem Wortsinn und auf allen Gebieten. Die historischen Beweggründe für die Abspaltung der Freien Universität von der alten Berliner Universität sind nun gewissermaßen weggefallen, und dem Senat von Berlin obliegt es, neben den bisherigen West-Berliner Universitäten nun auch für die ehemals Ost-Berliner Hochschulen, in erster Linie die Humboldt-Universität, Verantwortung und finanzielle Ausstattung zu übernehmen. Dies hat noch nicht absehbare Veränderungen in Struktur und Haus- halt zur Folge, auch für die Freie Universität, die nach einem leichten Absinken der Studentenzahl auf jetzt (1995) rund 55.000 nunmehr die drittgrößte deutsche Hoch-schule ist.

Zwar hat der Senat nach der staatlichen Vereinigung Bestandsgarantien für die wissenschaftlichen Institutionen ausgesprochen; doch haben der übereilte Abbau der von der Bundesrepublik erbrachten Berlin-Hilfen und die Täuschung über die mit der Wirtschaftsumstellung vorgeblich sich naturwüchsig entwickelnde Prosperität im Osten Berlin eine Finanzkrise größeren Ausmaßes beschert.

Die Universitäten können davon nicht unberührt bleiben und haben zunächst auch die vom Staat vorgebrachten Sparzwänge - etwa mit dem Ziel, die Zahl der insgesamt in Berlin angebotenen Studienplätze zu reduzieren - akzeptiert. Doch sind gemeinsam beschlossene Hochschulentwicklungspläne von der Regierungsseite bereits nach kurzer Zeit wieder in Frage gestellt worden; Bildung und Wissenschaft scheinen gegenwärtig für manche politisch

Verantwortliche bei ihren eiligen, auf eine kurze Zeitspanne gerichteten Überlegungen Bereiche, in denen finanziell und administrativ auch gegen die Empfehlungen von Sachverständigen leicht eingegriffen werden kann. Die Hochschulautonomie, mit der sich auch der Staat in besserer Zeit durchaus schmückte, wird zu einem leeren Begriff, einem Schlagwort ohne Bedeutung; die Kostenlast gerät zum alleinigen Argument.

So stehen bei der gegenwärtigen Diskussion über die Reduzierung von sog. Mehr- fach-Angeboten in Berlin, über die Verlagerung oder gar Schließung von Instituten bis hin zur Größe und Zuordnung der Universitätskliniken - ein die ganze Stadt bewegendes Thema - nicht Wissenschaft, sondern Politik und Kameralistik im Vordergrund. Daß dabei besonders geisteswissenschaftliche Bereiche von finanziellen Einschränkungen betroffen sind, verwundert angesichts der auf unmittelbare Verwertbarkeitserwägungen verengten Diskussion nicht, sondern scheint typisch für die gegenwärtige Zeitströmung zu stehen. Sparmaßnahmen und Angebotsreduzierungen werden jedoch nicht zwangsläufig eine Verkleinerung von Universitäten, sondern angesichts des bestehenden und in Ost-Berlin und der Mark Brandenburg noch erheblich steigenden Studieninteresses eher deren weitere Über- füllung zur Folge haben, und damit eine Verschlechterung der Lehre und Forschung.

Die Freie Universität wird - gemeinsam mit den anderen Universitäten im Berliner Raum - durch Anspannung und Leistung Öffentlichkeit und Politik davon zu überzeugen haben, daß nicht Zuliefern von Ausbildung - mit allen damit verbundenen zeitbedingten und konjunkturellen Schwankungen -, sondern vielmehr Bildung und Erkenntnisgewinn im von Humboldt entwickelten Sinn die eigentliche, beständige Aufgabe der Universität in unserer Gesellschaft und ihrer Vorbereitung auf eine offene Zukunft ist. Auch in Zeiten der Veränderung wird gerade die Freie Universität Berlin diesen Anspruch einfordern und an ihrem Selbstverständnis zu messen sein.